Weihnachtsdesaster

(… und noch eine verspätete, aber total spannende Weihnachtsgeschichte aus der 1BK!)
Paul ist unterwegs. Er möchte Weihnachtsgeschenke für seine Familie kaufen, auch wenn das schon ein bisschen spät ist. Es ist der 23. Dezember und auf den Straßen Oslos liegt meterweise Schnee. Paul ist auf sein Handy fokussiert. Er geht zielstrebig auf der unbefahrenen Straße in Richtung Kaufhaus und sieht den offenen Kanaldeckel nicht, der wie ein klaffendes Loch vor ihm erscheint.
Bevor er es realisiert, liegt er schon am nassen Boden des Kanalsystems. „Shit! Was war denn das?“, flucht er laut. Er hört, wie das Echo seiner Stimme immer leiser wird. Schnell rappelt er sich auf und beginnt wie manisch, nach einem Ausweg aus seiner misslichen Lage zu suchen. Paul blickt nach oben, in den grauen Himmel Oslos, der von Schneeflocken geschmückt wird. Seine Augen tasten die Wand nach irgendeinem Hilfsmittel ab, das ihn wieder nach oben bringen könnte, doch da ist nichts. Da fällt ihm ein, dass er eigentlich sein Handy in der Hand hatte- wo ist das denn jetzt überhaupt? Er tastet sich ab, kriecht auf allen Vieren durch den dunklen Raum, versucht mit zusammengekniffenen Augen die tröstende Form seines Telefons zu finden- doch da ist nichts. „Ernsthaft? Und das am Tag vor Weihnachten!“, schimpft er verärgert. Na gut, dann muss es eben ohne gehen. Er versucht, sich kurz zu sammeln und überlegt, wie er aus diesem Loch wieder herauskommen soll, als er Stimmen hört. Ganz leise, in der Ferne, da spricht jemand! Paul geht in Richtung der Geräusche, seine Augen gewöhnen sich langsam an die Dunkelheit des Ganges, den er gefunden hat. Irgendwie wird es vor ihm immer heller. Langsam kommt Paul der unbekannten Lichtquelle näher. Mittlerweile kann er sogar schon den Schmutz an den Wänden und am Boden sehen, die ihn umgeben. Der Gang macht eine Kurve und als Paul um die Ecke blickt, kann er seinen Augen nicht trauen: Vor ihm enthüllt sich ein riesiger Raum, gefüllt mit schneebedeckten Christbäumen, kleinen Verkaufsständen mit allen erdenklichen Speisen und Getränken und – Paul stockt. „Was zur Hölle ist das denn?“ Paul muss zweimal hinschauen, bevor er begreift, was vor ihm steht. Eine kleine graue Maus, mit roter Zipfelmütze und kleinen grünen Schuhen, die glitzernde Bommel an ihren Enden haben, steht vor ihm und streckt ihm ihre Pfote entgegen. „Lebkuchen?“, piepst sie zu ihm hoch und zaubert hinter ihrem Rücken einen großen Sack mit herrlich duftenden Lebkuchen hervor. Paul ist ganz verdattert, Mäuse sollten eigentlich weder Kleidung tragen, noch sprechen können, doch wie in Trance streckt er seine Hand aus und nimmt sich eine der Köstlichkeiten. Gerade will er in den Lebkuchen beißen, als er unter seinen Füßen ein Beben spürt. „Damn, was war das denn?“, entfährt es ihm. Das Rütteln beginnt stärker zu werden. Die Wände beginnen zu beben, die Weihnachtsbäume beginnen zu wackeln. Man hört überall das laute Klirren der zerbrechenden Christbaumkugeln. Der Markt beginnt zu leben, überall rennen kleine Mäuse durcheinander und suchen ihre Sachen zusammen. Das schrille Piepsen der vielen Tiere schmerzt in Pauls Ohren, schnell hält er sie sich zu. In der Hektik sieht er einen Tannenbaum, unter dem sich etwas bewegt. Kleine Beine schauen unter dem Geäst hervor und versuchen, den erdrückenden Massen zu entkommen. Paul eilt zu Hilfe, ohne die anderen Mäuse zu zertreten, und rettet die kleine Maus aus der lebensgefährlichen Situation. Mit der Maus auf der Schulter hetzt er umher und versucht, den einstürzenden Decken zu entfliehen und aus dem Weihnachtswirrwarr herauszufinden, doch immer mehr Ausgänge werden verschüttet. Langsam bekommt Paul es mit der Angst zu tun. „So hab‘ ich mir mein Ende aber nicht vorgestellt“, teilt er der verängstigten Maus mit. Mittlerweile ist schon die halbe Decke eingestürzt und alles ist voller Staub. Ein paar Augenblicke später sind sie gefangen zwischen zwei Schutthaufen, das Durchkommen ist unmöglich.
„Scheiß Weihnachten, nur wegen diesen blöden Geschenken werde ich jetzt hier unten im Dreck verrecken und nicht mal mit meiner Familie feiern können, so ein Mist!“, ärgert er sich lautstark. Die Maus piepst kläglich. Sie hat auch schon aufgegeben, an ein gutes Ende für die beiden zu glauben. Doch vielleicht geschieht noch ein Weihnachtswunder und die beiden können gerettet werden?

HeastNed